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Kennen wir uns?

Ich helfe gerade ein Haus auszuräumen. Die Eigentümerin ist vor einigen Monaten nach Südamerika aufgebrochen und hat ....
Wer bist Du?
Datum:
21. Juni 2025
Von:
Hildegard Cremer, Mitglied im Katholikenrat des Bistums Trier

sich entschieden, dauerhaft dort zu bleiben. Auch den Verkauf des Hauses regelt sie aus der Ferne. Alles, was ihr Leben bisher ausmachte, hat sie zurückgelassen und es landet jetzt in einem großen Container. Ich hatte keinen engen Kontakt zu ihr, habe mich meistens nur kurz mit ihr unterhalten, wenn wir uns zufällig begegnet sind. In unserem Alltag gab es nur wenig Berührungspunkte. Trotzdem hatte ich eine ziemlich feste Vorstellung von ihr, ihrer Persönlichkeit, ihrem Leben.

Jetzt, wo sie nicht mehr da ist, gehe ich durch ihr Haus und sehe sie plötzlich mit anderen Augen. Da gibt es Regale voller Fachbücher, Hinweise auf Hobbys, die sie gepflegt hat, Zertifikate und Diplome, die von vielfältigen Erfolgen berichten. Aber auf der anderen Seite auch eindeutige Hinweise darauf, dass sie in manchen Strukturen und Problemen gefangen war. Vieles habe ich so nicht erwartet.

Mir drängt sich die Frage auf, wieviel Mühe wir uns eigentlich geben, jemanden wirklich kennenzulernen, hinter die Fassade zu schauen. Nehmen wir uns die Zeit nicht nur kurz Hallo und wie geht’s zu sagen, sondern unser Gegenüber tatsächlich anzuschauen, ihm unsere Aufmerksamkeit zu schenken?  Wollen wir eine Beziehung aufbauen, uns eine eigene Meinung bilden, oder übernehmen wir voreilig das, was andere sagen und tun?

Es ist ein existentielles menschliches Bedürfnis von einem anderen wirklich gesehen und verstanden zu werden. Begegnen Menschen uns mit Misstrauen oder gar Feindseligkeit kommen schnell Selbstzweifel und Fragen auf. Wie wirke ich auf die Leute? Was halten sie von mir? Wie schätzen sie mich ein?

In der Bibel lesen wir eine Geschichte, in der es um genau diese Fragen geht. Der Evangelist Matthäus überliefert uns ein Gespräch zwischen Jesus und seinen Jüngern. „Für wen halten die Leute mich?“ Auf diese Frage erhält Jesus von seinen Jüngern eine bunte Mischung an verschiedenen Antworten. Genauso dürfte es wohl auch heute sein, wobei es vermutlich noch viel mehr Antworten gäbe. Wichtiger und auch spannender finde ich die zweite Frage Jesu an seine Jünger: „Und ihr, für wen haltet ihr mich?“ oder ins hier und jetzt übertragen „Wer ist Jesus für mich?“ Der Erlöser, der auch für mich gestorben ist? Der treue Freund, der mich auf meinem Weg begleitet? Der friedfertige Mensch, der mir Vorbild sein kann? Der Menschenfreund, der sich nicht von Äußerlichkeiten blenden lässt? Vielleicht ist er für manche eine Kombination aus allem und für andere jemand ganz anderes. Vielleicht stellt sich auch die Frage: „Kenne ich ihn überhaupt?“  

„Wer ist Jesus für mich?“  Wir dürfen diese Frage als Einladung und Ermutigung verstehen Jesus besser kennenzulernen und unsere eigenen Erfahrungen mit ihm zu machen.